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Was fuer uns inzwischen selbstverstaendlich ist…

Freitag, August 17th, 2007

Ein paar Fragen, die wir immer wieder gestellt bekommen, zeigen uns, dass wir ein paar Informationen bisher schuldig geblieben sind. Da geht es um Themen wie unsere weitere Reiseplanung oder unser persoenliches Empfinden, aber auch um fuer uns alltaegliches wie das Reisen mit dem Rad, der Kontakt zu hiesigen Leuten, das Gesicht von Land und Leuten, das Suchen und Finden einer Unterkunft, das Essen oder dergleichen. Nicht auf alles wird es hier eine genaue Antwort geben, aber wir versuchen es einfach einmal.
Um hier gleich einmal ein paar Fakten einfliessen zu lassen: Unser Reisebudget (ueber den Daumen gepeilt, da ja planlos) ist uebrigens so um die 30,- EUR pro Tag pro Person. Da wir eigentlich seit 2 1/2 Monaten kein eigenes Geld mehr haben sondern ausschliesslich eine gemeinsame Kasse, was, wie man sich vorstellen kann, auch erst mal erlernt werden muss, dann aber herrlich unkompliziert ist, gehen wir eigentlich von ca. 60,- EUR pro Tag aus. Hinzu kommt allerdings noch der Rueckflug nach Deutschland am Ende der Reise. 60,- EUR fuer uns beide kann je nach Umstaenden sehr knapp sein oder aber auch sehr ueppig. An den Tagen, an denen wir zelten und uns selber versorgen, liegen wir weit unter unserem Budget. Steigen wir in Hotels ab, Hostels oder private Unterkuenfte gab es bisher kaum, liegen wir bei den bisher bereisten Laendern (EU, GUS) meist darueber. Dazu kommen die ein oder anderen Sonderausgaben wie z.B. das wegen der benoetigten Ausruestung und des Bergfuehrers recht kostspielige Elbrusabenteuer. Im grossen und ganzen haelt es sich aber bisher die Waage. Dank Internetbanking ist man ja jederzeit ueber den aktuellen Stand informiert. Versorgen tun wir uns mit den jeweiligen Devisen uebrigens ausschliesslich per Bankautomat. Die DKB (Deutsche Kreditbank) hat hier naemlich ein unschlagbares Angebot: kostenlos Bargeld abheben mit der VISA-Kreditkarte weltweit! Da haben wir beide vor der Reise noch jeweils ein Konto eroeffnet. Fazit: perfekt! Umrechnung zum Tageskurs, keine Gebuehren und wir heben eigentlich nur kleine Betraege ab, im Zweifel mehrfach innerhalb von ein paar Taagen. Das hat den Vorteil, dass man nie mit besonders viel Bargeld rumlaeuft. Die allgeimeinen Lebenskosten haben sicherlich graduell auf dem Weg gen Osten abgenommen, was man, wie gesagt, von den Unterkunftspreisen nicht behaupten kann. Im ganzen gehe wir davon, dass dieser Trend auch in Kirgisistan und China, die zwei verbleibenden Laender, weiter anhaelt (gilt natuerlich nicht fuer chinesische Grossstaedte).
Und da waeren wir auch schon beim naechsten Thema, unsere Reiseplanung. Im Blog, als auch auf unserer Google Maps-Seite, haben wir von vornherein schon festgestellt, dass unsere Wunschroute von Nordchina in die Mongolei, an den Baikalsee und zurueck durch die Mongolei (der Wunsch hier war die Wueste Gobi) kaum zu realisieren sein wird. Hauptgrund hierfuer ist das raue kuehle Klima in all diesen Regionen sowie den Hoehenlagen des vorangehenden Kirgisistans ab ca. Anfang Oktober. Von unserem Start Anfang Juni bis dahin haette das eine Reisezeit fuer die bisher bereisten Laender und diese Wunschziele von von etwa 4 Monaten bedeutet. Relativ frueh auf unserer Reise haben wir uns damit abgefunden, dass wir allerhoechstens eins dieser weiten Wunschziele erreichen koennen. Wir haben allerdings auch von vornherein auf eine langsamere Reisegeschwindigkeit Wert gelegt. Durch unser selbsbestimmtes Reisetempo durch Rumaenien, die Krim und schliesslich Russland ist es fuer uns schon lange selbstverstaendlich, dass wir die Mongolei und noch weiter noerdliche Gebiete mit hoechster Wahrscheinlickeit auf dieser Fahrt nicht bereisen werden, zumindest nicht in einem groesseren Umfang. Unsere (grobe) Reiseplanung sieht folgendes vor: Kirgisistan mit dem Tian Shan, auf dem Landweg nach China und entlang der alten Seidenstrassenstrecken an der Wueste Taklamakan den Nordosten Chinas (Xinjiang) entdecken (was wirklich kommt, … Ihr werdet es erfahren!). Nach unserem Kaukasustrip, nachdem wir vor allem wegen der hohen Temperaturen von ueber 40 °C, bei denen das Radeln und das Campen kaum noch als Vergnuegen zu betrachten war, vermehrt mit dem Zug gefahren sind, wollen wir die reizvollen Strecken vor uns wieder hauptsaechlich mit dem Rad bereisen.
Das Reisen mit dem Rad, aus unserer Sicht, hat seine Vor- und Nachteile. Man denke daran, dass wir ja nicht die absoluten Radfreaks sind, die jetzt auf Teufel komm raus maximal viele Kilometer radeln wollen und alleinig in einer Radreise ihre Erfuellung finden. Wir wollten uns vor allem etwas zusaetzliche Freiheit und die Flexibilitaet ausserhalb der Ballungszentren die Laender frei bereisen zu koennen, erkaufen. Die Moeglichkeit auch das noetige Gepaeck zum Zelten mitzunehmen, und somit die Natur unterwegs naeher erleben zu koennen. Die gerade genannten Vorteile haben sich mit Sicherheit bestaetigt. Dazu begeistert es uns immer wieder, wie energiesparend, schnell und viel ausgiebiger wir uns in den Staedten bewegen koennen. Auch abends aus einer Stadt herauszufahren, in der es partout keine Unterkunft mehr gab, da die einzigen Hotels ausgebucht waren, um dort zu zelten, waere ohne Rad wohl kaum moeglich gewesen. Gerade in Rumaenien, aber auch auf der Krim, waren wir voll begeistert, die Landschaft in einem langsamen Tempo und nahe erleben zu koennen; nicht immer unanstrengend natuerlich. Im ganzen zieht man auf jeden Fall eine grosse Befriedgung daraus, aus eigener Kraft und mit gemaechtlichem Tempo grosse Strecken bereist zu haben.
Aber es gibt auch nachteiliges zum Reisen mit dem Rad. An Tagen, an denen wir mit dem Rad eine normale Tagesstrecke zuruecklegen (ca. 65-85km), steht dies klanglos im Vordergrund. Man kommt natuerlich nicht so schnell voran, dass man immer in einem Tag von einem Highlight zum naechsten faehrt. Wir packen morgens unsere Sachen und fruehstuecken dann meist erst unterwegs, nachdem wir an einem kleinen Laden vorbeigekommen sind. Mehrmals am Tag decken wir uns mit Trinkwasser ein. Vor unserem Tagesziel, das, wenn wir zelten, wir meistens nach aktuellem Erschoepfungsgrad auswaehlen bevor einer von uns zu alle ist oder gar zu grossen Hunger bekommt (der schlaegt naemlich bei beiden von uns direkt proportional auf die Laune!), versorgen wir uns meist noch mit ca. 10-12 Litern „Brauchwasser“, das wir zum kochen und provisorisch duschen verwenden. Tagsueber machen wir bei grosser Hitze eine lange sonst sowieso viele kurze Pausen. Ist am spaeten Nachmittag oder Abend erst einmal ein geeigneter Zeltplatz gefunden, das Zelt aufgebaut, verschnauft, geduscht und was zu essen gerichtet, bleibt meist kaum noch die Motivation, das Tagebuch zu pflegen, geschweige denn sich mehr in die kommenden Ziele einzulesen noch etwas im grossen Style zu besichtigen. Natuerlich haben wir auch waerend unserer Radreisetage immer wieder wertvolle Erlebnisse, schoene Momente und Highlights, aber wir spueren doch, dass es uns, allein von der verfuegbaren Energie, auch Grenzen vorgibt. Zum Beginn unserer Reise war es zudem aeusserst problematisch mit dem Fahrrad mit irgend einem anderen Verkehrsmittel mitzukommen. Inzwischen haben wir aber eine gute Routine gefunden, unsere Bikes teilweise auseinander zu nehmen und kompakt zu verschnueren (Fotos von so einem Paket sind inzwischen auch online).
Auf langen Strecken der Ukraine sowie in Russland, da wo die Distanzen eh groesser werden, mussten wir aus Mangel an Alternativen Hauptverbindungsstrassen nutzen. Mit dem Verkehr hatten wir dabei bisher, entgegen Berichten anderer Radreisenden, nie Probleme oder Bedenken deswegen. Wir hatten aber das Gefuehl, an den Schaufenstern eines Landes vorbeizuradeln, ohne die Laeden oder gar die Seitenstrassen zu besuchen. Es waren einfach immer wieder die gleichen Geschaefte und Haendler, die den schnellen wohlhabenden Durchgangsverkehr versorgen, Tankstellen, Cafes und Ortshauptstrassen, wie man sie sonst hinter den Kulissen gar nicht antrifft. Sozusagen ein gleichfoermiges aber fuer das jeweilige Land eigentlich traditionell untypisches Gesicht. Die Male, die wir uns auf Nebensrecken bewegten, wurden wir sofort mit fuer uns interessanteren Eindruecken belohnt. Leider ist dies aber nicht immer moeglich. Teilweise war ich etwas bedrueckt, dass wir gerade dadurch, dass wir mit dem Rad fahren, vielleicht doch weniger intensiven Kontakt zu den Einheimischen finden. Nach unseren letztlich gemachten Bus- und Zugstrecken ist dies zwar teilweise bestaetigt, aber auch wieder in einem gesunden Gleichgewicht.
Sitzt man mal nicht auf dem Sattel, muss man immer bedenken, wo man das Rad, bzw. das Rad inklusive dem gesamten (unmoeglich tragbaren) Gepaeck, sicher abstellen kann. Bei Hotels bestehen wir darauf die Raeder irgendwo unterstellen zu koennen, bisher problemlos. Beim Zelten ketten wir die Raeder, bis auf ganz wenige Ausnahmen, aneinander fest und decken sie nachts mit einer Plane zu. Haben wir besondere Sorge, befestigen wir einen kleinen Alarm daran (schluesselgross), der uns beim Bewegen der Raeder sofort wecken wuerde. Das ist aber bisher sehr selten der Fall. Muessen wir tagsueber das Rad mit dem gesamten Gepaeck abstellen, um z.B. etwas zu besichtigen, tun wir dies wenn moeglich an einem oeffentlichen Platz, reden vielleicht noch mit ein paar Haendlern, die es im Blickfeld haben, und nehmen das allerwichtigste in unserer kleinsten Tasche mit uns. Allein vom Gewicht her ist das Bewegen der beladenen Raeder schon nicht so leicht. Zudem sind die Fahrradtaschen auch nicht einfach abzunehmen, wenn man nicht weiss wie. Im grossen und Ganzen hatten wir bisher ein gutes Gefuehl und es hat alles geklappt. Ein Restrisiko bleibt natuerlich immer, aber damit belasten wir uns gedanklich nicht wirklich :-). Wollen wir unterwegs kurz etwas besorgen oder z.B. etwas erfragen oder ein Zugticket kaufen, so bleibt immer einer von uns beiden bei den Raedern. Die gemachten Erfahrungen dabei, bzw. der Kontakt zu den Leuten, bleibt dann meist nur einem vorbehalten. Dies empfinden wir durchaus als schade.

Mehrfach hat man uns gefragt oder nahegelegt, ob wir aus unserer Reise eine Buch machen wuerden, zumindest aber eine professionelle Diapraesentation. Wir haben nichts derlei vor, 🙂 bei diesem Blog wird es wohl bleiben. Auch die wiederkehrende ernst gemeinte Frage, ob wir denn Sponsoren haben, koennen wir immer nur negativ beantworten (bis auf die finanziell unaufwiegbare moralische Unterstzuetzung und Geduld von Freundin, Familien und Freunden natuerlich!). In Berichten im Internet, gerade von Radreisenden, haben wir aber festgestellt, dass Ausruester und Hersteller solche privaten Reisen durchaus unterstuetzen. Irgendwie haben wir das aber nie in Betracht gezogen. Das Thema Rad kam bei uns ja auch erst relativ spaet dazu.

Man koennte endlos weiter schreiben. Ich denke da so an die inneren Hoehen und Tiefen, die wir natuerlich bisher auch schon durchlebt haben. Ausserdem ist eine solche Reise zu zweit, das Tag und Nacht gemeinsame Leben, natuerlich auch eine Quelle unzaehliger Insidermuster. Sei das die Sprache, das Verhalten oder der Umgang miteinander. Erstaunlich ist auch, wie sich Erfahrungen und Gedankenwelt der Gegenwart decken, oder eben gerade nicht (was wohl oeffter der Fall ist!), mit den Vorstellungen und Erwartungen vor oder am Anfang der Reise. Die Laenge dieses Eintrages reicht aber schon lange, so dass wir diese Einblicke vielleicht besser vertagen :-).

Endlich in Russland

Dienstag, Juli 17th, 2007

Seit vier Tagen sind wir nun in Russland.

Dieser Teil Russlands ist so ganz anders, als wir uns das vorgestellt haben. Nicht das wir wirklich konkrete Vorstellung gehabt haetten… In den Staedten sind die selben Marken und Werte vertreten wie in allen nach westlichen Maerkten orientierten Regionen. Wie auch in der Ukraine schon legt man Wert auf Aeusseres und Statussymbole. Auch hier sehen wir unerwartet viele neue deutsche Limousinen. Modelle, die man in Deutschland selten sieht. Das ist natuerlich keinesfalls ein Durschnitte durch die Gesellschaft aber praegt das Bild entscheidend mit. Wer hat, der zeigt dies. Wer sich etwas zum zeigen gerade leisten kann tut dies auch. Die Hauptstrassen sind immer geschaeftig, man flaniert fuer sein Leben gern. Auf den immer vorhandenen Maerkten sind noch die unzaehligsten kleinen Staende vertreten, aber auch hier sind einem alle Produkte vertraut. Die Menschen an sich, die vom Aussehen genausogut unsere Nachbarn daheim sein koennten (vielleicht aus der Schweiz, da man wie gesagt sehr viel genauer auf sein Aesseres bedacht ist 🙂 ), sind ausnahmslos offen, und sympatisch. Gerade die Offenheit auf uns zuzukommen entwaffnet uns regelmaessig. Wir stossen auf viel Interesse an uns (wobei uns kaum jemand verstehen kann, wenn wir unsere wirklichen Reiseziele mal offenbaren), man kuemmert sich um uns, versorgt und beschenkt uns, ja sorgt sich fast teilweise um uns hat man das Gefuehl. Wir fuehlen uns wirklich gut aufgehoben bisher.

Was uns noch fehlt ist der Blick hinter die staedtischen Kulissen. Bisher hat uns unsere Reise, nach der Grenzueberquerung von der Ukraine nach Russland per Schiff, nur an Hauptsstrassen entlang durch groessere Doerfer und Provinzstaedte in die Stadt Krasnodar gefuehrt. Die Pflicht sich innerhalb von drei Tagen als Tourist registrieren zu muessen und die fehlenden Moeglichkeiten vor dem Erreichen von Krasnodar (trotz ruehrender Hilfe von einigen Russen) dies zu tun, haben uns zu einem schnelleren Tempo auf diesem Abschnitt der Strecke gezwungen. Jetzt haben wir aber schon mal eine Registrierung und hoffen damit das Minimum getan zu haben und so eventuellen Problemen entgegenzuwirken. Bei der Ausreise oder bei Kontrollen unterwegs wird sich das dann zeigen.

Die naechsten Tage werden wir erst einmal ohne Fahrrad weitermachen. Diese haben wir sicher mit dem Grossteil unseres Gepaecks in einem Hotel abgestellt, um von hier aus einen Abstecher zum Kaukasus zu machen. Der hoechste Berg Europas, der Elbrus, ruft. Nach der recht heissen Zeit bisher wollen wir uns die naechsten Tage etwas Abkuehlung verschaffen. Man hat uns gerade erst gesagt, dass es wohl gerade recht kalt dort sei. Da koennen wir doch gleich mal schauen, ob unsere „Winterausruestung“, die wir fuer unsere Reise durch Krgisistan und China (mit der Ueberquerung des Tianshan) benoetigen, auch wirklich ausreicht.

 

Ein paar Bilder von unserer Fahrt an der Suedkueste der Krim bis nach Russland haben wir in einer neuen Gallerie online gestellt. Viel Spass beim Anschauen!

Auszug aus dem Tagebuch

Montag, Juli 2nd, 2007

Tag 27, Sa 30.6.07 -> Simferopol

Schon um 8:00 Uhr frueh sind wir auf der Strasse. Zurueck auf der grossen Schnellstrasse fruehstuecken wir an einer Tankstelle Teigbaellchen mit Fleischfuellung und ein Lion, dazu starken Kaffee.
Bei der naechsten Anssammlung von Laeden am Strassenrand, direkt bei einem Markt, der heute in vielen Doerfern abgehalten wird, wollen wir wieder unser Glueck als Anhalter versuchen. Nach gut 35 Minuten haben wir das Glueck und werden von Erlan, der von einem Audi A6 trauemt (oder einen hat, das haben wir nicht ganz verstanden), in seinem kleinen Transporter bis nach Dzhankoi mitgenommen. Hier sind wir auch nach 45 Minuten mit dem Trampen nicht erfolgreich. Es gibt allerdings auch kaum LKWs oder Tranporter in unsere Richtung, denen wir unseren Wunsch mitgenommen zu werden signalisieren koennten. Da es bis zu unserem naechsten Ziel, Simferopol im Herzen der Krim, aber noch gut 95 Kilometer sind, brauchen wir irgend eine Art von beschleunigtemTransportmittel, wenn wir es noch heute erreichen wollen. Wir entscheiden uns dafuer, es mit dem Zug zu probieren. Auf dem Weg zum Bahnhof zeigt sich, was fuer eine schoene Stadt Dzhankoi eigentlich ist. Alle Strassen sind gesaeumt mit Baeumen, es ist merkbar sauberer als an anderen Orten und der Bahnhof selbst blueht in neuem Glanz. Auch hier scheint heute Reisetag zu sein. Menschen warten ueberall auf die Zuege oder auf eine Mitfahrgelegenheit auf dem angeschlossenen Busbahnhof.

Es dauert wieder einige Zeit, drei mal muss ich zum Ticketschalter, bis ich herausgefunden habe, wann ein Zug zu einem unserer Wunschziele faehrt und ich entsprechend Tickets kaufen kann. Die Angestellte am Ticketschalter ist aber auch sehr geduldig und nett und hat sogar Spass daran, mit mir ueber unser so nuetzliches kleines Russisch-Deutsch Langenscheidlexikon zu kommunizieren. Fuer die Fahrraeder erstehe ich auch zwei Sondertickets fuer Gepaeck.

Ca, 1 1/2 Stunden nach unserer Ankunft am Bahnhof faehrt der Zug. Wir stellen uns mit den Raedern wieder am Ende des Bahnsteiges auf, um in den letzten Wagon einsteigen zu koennen. Als der Zug dann endlich einfaehrt, schnallen wir unsere dicken Kanusaecke und die hinteren Gepaecktaschen von den Raedern, weil wir bereits die Erfahrung gemacht haben, dass wir mit diesen die Raeder nicht durch die engen Wagontuern bekommen. Ausserdem ist das komplett beladene Rad vom Gewicht her kaum zu handeln.

Es geht alles ein bischen schnell. An der hintersten Tuer beginnen Leute auszusteigen, andere kommen aus allen Richtungen. Es wird sich begruesst, geschwatzt und vor allem um gelbe Melonen gehandelt. Dabei scheint es keine bevorzugte Handelsrichtung zu geben. In den Zug hinein und aus dem Zug heraus scheinen Melonen fuer ein paar Scheine ihre Besitzer zu wechseln. Fuer uns ist jedenfalls absolut kein Durchkommen. Wir versuchen es an der naechsten Tuer. Diese ist aber verschlossen. Bei der uebernaechsten Tuer werden wir an die Schaffnerin verwiesen, die aber den von uns beobachteten Handel an der letzten Tuer des Zuges zu ihren Gunsten zu ueberwachen scheint. Mit unseren Raedern und unseren abgeschnallten Taschen, die wir unhandlich mit uns schleppen, gehen wir also wieder zurueck zu unserer ersten Tuer. Mit etwas mehr Durchsetzungsvermoegen, die Geschaefte scheinen nun auch alle getaetigt und die Menge loest sich bereits etwas auf, schaffen wir es zumindest vor bis zur Wagontuer. Mit teilnahmlosen Blick aus der Tuer herab auf unsere Raeder gestikuliert uns die Schaffnerin aber ein klares „NJET“. Ich versuch ihr verstaendlich zu machen, dass wir Tickets, auch fuer die Raeder, haetten und zeige sie ihr. Auch das beeindruckt sie nicht! Inzwischen faengt der Zug an zu rollen. Jede weitere Diskussion eruebrigt sich. Der Zug faehrt aus dem Bahnhof aus und wir stehen immer noch auf dem Bahnsteig.

Also, „versuchen die Tickets zurueck zu geben und mit den Raedern weiter“ ist der naechste Gedanke.

Im Bahnhofsgebaeude, wo ich wieder einmal am Ticketschalter anstehe (Christoph ist bei den Raedern), nimmt mich ein Herr mittleren Alters, mit dem wir bereits vorher auf dem Bahnsteig ein paar nette Wote gewechselt hatten, mit in einen anderen Teil des Bahnhofs und macht mich auf eine Tuer aufmerksam, klopft an, gibt mir zu verstehen, dass ich hier richtig sei, und verschwindet wieder. Ich stehe also da, kein Schild and der nackten Tuer (nicht dass ich es haette verstehen koennen!), die Leute im Wartesaal um mich herum mit unberuehrten Mienen, manche vielleicht neugierig schauend. Manchmal steht man einfach da und weiss gar nicht mehr was geht. Die fehlenden Sprachkenntnisse und dazu die kyrillische Schrift, mit der wir erst anfangen uns anzufreunden, provozieren diese Situationen. Da sich nichts zu tun scheint hinter dieser Tuer gehe ich zurueck zu der Schlange meiner freundlichen Ticketverkaeuferin, wo ich wenigstens weiss, dass ich nicht gleich in einem russischen Redeschwall abgewiesen werde (auf der Krim wird hauptsaechlich russisch gesprochen), wie es mir an anderen Schaltern durchaus schon passiert ist. Als ich gerade dran komme und der erstaunt dreinschauenden Beamtin versuche mitzuteilen „Njet – hineinlassen – Zug“, was ich im Lexikon nachgeschlagen hatte, und mit den noch vorhandenen Tickets wedle, taucht der hilfsbereite Herr wieder auf, diesmal mit einer Bahnangestellten mit zwei Sternen auf den Epauletten. Die anderen hier haben noch nicht mal einen! Die Bahnhofsvorsteherin? Jedenfalls eine kompetente Dame und sie hat hier offensichtlich das Sagen! Freundlich zwinkern tut sie dazu und signalisiert uns „das machen wir schon“. Nachdem die Situation erst mnal erlaeutert ist, dank Minilexikon, wird klar, das die Loesung offensichtlich „elektrischer Zug“ ist. Wir werden unter neugierigen Blicken hinter ihr her trottend und unsere Bikes schiebend, von ihr zu einem anderen Bahnhof gefuehrt. Unterwegs spricht sie pausenlos in ihr Walki-Talki und macht die Bahnangestellten auf den entfernten Bahnsteigen lauthals zur Schnecke. Zu uns ist sie allerdings aeusserst charmant. Am neuen Bahnhof angekommen wird die dortige Dame mit zwei Sternen auf der Schulter eingeweiht. Dabei wird durch unserer Retterin auch klargestellt, dass unsere Tickets fuer diesen anderen Zug auch gelten wuerden (wir interpretieren halt immer kraeftig mit, verstehen tun wir zu wenig). Auch fuer die zweite Dame scheint die Herausforderung – die zwei verlorenen Deutschen (wir verstehen nur das Wort „Germani“) an ihr Ziel zu bekommen – eine Abwechslung von ihrem Alltag zu sein.

Am Bahnsteig wird uns muetterlich streng bestimmt uns zu setzen und zu warten. Wir gehorchen und Christoph salutiert. Der Engel von Bahnhofsvorsteherin des ersten Bahnhofs verabschiedet sich und wir sind ihr wirklich dankbar. Die zweite Dame macht uns verstaendlich, dass sie wiederkaeme, wenn der Zug kommt und laesst uns dann allein. Wir sind nun zuversichtlich, dass wir unser Ziel heute noch erreichen, und warten geduldig und entspannt auf unseren Zug, einmal mehr begeistert von den Ukrainern.

Der Zug braucht gute 3 Stunden fuer die Fahrt nach Simferopol und erinnert uns sehr an unseren Bummelzug aus Moldawien.

In Simferopol scheint die Hoelle los. Menschenmassen, die offensichtlich zu der Gattung „Sommertourist“ gehoeren, bevoelkern die Umgebung des Bahnhofs. Es herrscht reges Leben und eine ausgelassene Stimmung.

Mit dem Rad fahren wir in die Stadt und erfragen bei einem gehobenen Hotel, das unser Budget sprengen wuerde, die Adressen anderer guenstigerer Unterkuenfte. Etwas ausserhalb des Zentrums finden wir so unser Traumhotel! Ein bezaubernd abgewetzter sozialistischer Plattenbau mit dem Flair sozialistischer Glanzzeiten. Unser Zimmer ist eigentlich ein kleines Appartment, wo wir auch die Raeder wieder unterbringen koennen, mit einem geraeumigen Bad mit freiliegenden Rohren ueberall und einem 60er Jahre Wohnzimmer. Perfekt! Und das fuer ein drittel des Preises von den Hotels, die im Lonely Planet aufgefuehrt sind. Und sogar mit Fruestueck (hatten wir bisher noch nie!). Die Einfahrt zum Hotelparkplatz wird von einem Wachturm mit riesigem drehbarem Suchscheinwerfer flankiert, der an die Wachtuerme an der Berliner Mauer frueher erinnert. Einfach genau unser Ding!

Zum Abendessen gibt es Pizza im Zentrum der Stadt. Eines der Essen, die wir ohne allzugrosse Schwierigkeiten bestellen koennen (auch wenn dann Pilze am Ende doch Schinken auf der Pizza sind…). Einen Absacker und eine Suessspeise goennen wir uns noch in einer von aussen chillig aussehenden Terassenbar, wo wir aber wieder auf eine ukrainisch flapsige Art bedient werden.

Hier in Simferopol, nahe der Tourismushochburgen am Schwarzen Meer, scheint Minirock oder Minihotpant mit hochhackigen Schuhen auf jeden Fall zum guten Stil zu gehoeren. Wohin man auch schaut, lange nackte Beine und koerperbetonte, aufreizende, ausgefallene Kleidchen. Da wird einem fast schwindelig! Aber wir tragen es mit Fassung! Ausserdem fallen wir mit dem gelegentlichen Klappern unserer Klickpedalschuhe zwischen dem ganzen Geklapper der Pfennigabsaetze (wenn sie so gross waeren!) nicht so auf.