Archive for Juli, 2007

Auszug aus dem Tagebuch

Montag, Juli 2nd, 2007

Tag 27, Sa 30.6.07 -> Simferopol

Schon um 8:00 Uhr frueh sind wir auf der Strasse. Zurueck auf der grossen Schnellstrasse fruehstuecken wir an einer Tankstelle Teigbaellchen mit Fleischfuellung und ein Lion, dazu starken Kaffee.
Bei der naechsten Anssammlung von Laeden am Strassenrand, direkt bei einem Markt, der heute in vielen Doerfern abgehalten wird, wollen wir wieder unser Glueck als Anhalter versuchen. Nach gut 35 Minuten haben wir das Glueck und werden von Erlan, der von einem Audi A6 trauemt (oder einen hat, das haben wir nicht ganz verstanden), in seinem kleinen Transporter bis nach Dzhankoi mitgenommen. Hier sind wir auch nach 45 Minuten mit dem Trampen nicht erfolgreich. Es gibt allerdings auch kaum LKWs oder Tranporter in unsere Richtung, denen wir unseren Wunsch mitgenommen zu werden signalisieren koennten. Da es bis zu unserem naechsten Ziel, Simferopol im Herzen der Krim, aber noch gut 95 Kilometer sind, brauchen wir irgend eine Art von beschleunigtemTransportmittel, wenn wir es noch heute erreichen wollen. Wir entscheiden uns dafuer, es mit dem Zug zu probieren. Auf dem Weg zum Bahnhof zeigt sich, was fuer eine schoene Stadt Dzhankoi eigentlich ist. Alle Strassen sind gesaeumt mit Baeumen, es ist merkbar sauberer als an anderen Orten und der Bahnhof selbst blueht in neuem Glanz. Auch hier scheint heute Reisetag zu sein. Menschen warten ueberall auf die Zuege oder auf eine Mitfahrgelegenheit auf dem angeschlossenen Busbahnhof.

Es dauert wieder einige Zeit, drei mal muss ich zum Ticketschalter, bis ich herausgefunden habe, wann ein Zug zu einem unserer Wunschziele faehrt und ich entsprechend Tickets kaufen kann. Die Angestellte am Ticketschalter ist aber auch sehr geduldig und nett und hat sogar Spass daran, mit mir ueber unser so nuetzliches kleines Russisch-Deutsch Langenscheidlexikon zu kommunizieren. Fuer die Fahrraeder erstehe ich auch zwei Sondertickets fuer Gepaeck.

Ca, 1 1/2 Stunden nach unserer Ankunft am Bahnhof faehrt der Zug. Wir stellen uns mit den Raedern wieder am Ende des Bahnsteiges auf, um in den letzten Wagon einsteigen zu koennen. Als der Zug dann endlich einfaehrt, schnallen wir unsere dicken Kanusaecke und die hinteren Gepaecktaschen von den Raedern, weil wir bereits die Erfahrung gemacht haben, dass wir mit diesen die Raeder nicht durch die engen Wagontuern bekommen. Ausserdem ist das komplett beladene Rad vom Gewicht her kaum zu handeln.

Es geht alles ein bischen schnell. An der hintersten Tuer beginnen Leute auszusteigen, andere kommen aus allen Richtungen. Es wird sich begruesst, geschwatzt und vor allem um gelbe Melonen gehandelt. Dabei scheint es keine bevorzugte Handelsrichtung zu geben. In den Zug hinein und aus dem Zug heraus scheinen Melonen fuer ein paar Scheine ihre Besitzer zu wechseln. Fuer uns ist jedenfalls absolut kein Durchkommen. Wir versuchen es an der naechsten Tuer. Diese ist aber verschlossen. Bei der uebernaechsten Tuer werden wir an die Schaffnerin verwiesen, die aber den von uns beobachteten Handel an der letzten Tuer des Zuges zu ihren Gunsten zu ueberwachen scheint. Mit unseren Raedern und unseren abgeschnallten Taschen, die wir unhandlich mit uns schleppen, gehen wir also wieder zurueck zu unserer ersten Tuer. Mit etwas mehr Durchsetzungsvermoegen, die Geschaefte scheinen nun auch alle getaetigt und die Menge loest sich bereits etwas auf, schaffen wir es zumindest vor bis zur Wagontuer. Mit teilnahmlosen Blick aus der Tuer herab auf unsere Raeder gestikuliert uns die Schaffnerin aber ein klares „NJET“. Ich versuch ihr verstaendlich zu machen, dass wir Tickets, auch fuer die Raeder, haetten und zeige sie ihr. Auch das beeindruckt sie nicht! Inzwischen faengt der Zug an zu rollen. Jede weitere Diskussion eruebrigt sich. Der Zug faehrt aus dem Bahnhof aus und wir stehen immer noch auf dem Bahnsteig.

Also, „versuchen die Tickets zurueck zu geben und mit den Raedern weiter“ ist der naechste Gedanke.

Im Bahnhofsgebaeude, wo ich wieder einmal am Ticketschalter anstehe (Christoph ist bei den Raedern), nimmt mich ein Herr mittleren Alters, mit dem wir bereits vorher auf dem Bahnsteig ein paar nette Wote gewechselt hatten, mit in einen anderen Teil des Bahnhofs und macht mich auf eine Tuer aufmerksam, klopft an, gibt mir zu verstehen, dass ich hier richtig sei, und verschwindet wieder. Ich stehe also da, kein Schild and der nackten Tuer (nicht dass ich es haette verstehen koennen!), die Leute im Wartesaal um mich herum mit unberuehrten Mienen, manche vielleicht neugierig schauend. Manchmal steht man einfach da und weiss gar nicht mehr was geht. Die fehlenden Sprachkenntnisse und dazu die kyrillische Schrift, mit der wir erst anfangen uns anzufreunden, provozieren diese Situationen. Da sich nichts zu tun scheint hinter dieser Tuer gehe ich zurueck zu der Schlange meiner freundlichen Ticketverkaeuferin, wo ich wenigstens weiss, dass ich nicht gleich in einem russischen Redeschwall abgewiesen werde (auf der Krim wird hauptsaechlich russisch gesprochen), wie es mir an anderen Schaltern durchaus schon passiert ist. Als ich gerade dran komme und der erstaunt dreinschauenden Beamtin versuche mitzuteilen „Njet – hineinlassen – Zug“, was ich im Lexikon nachgeschlagen hatte, und mit den noch vorhandenen Tickets wedle, taucht der hilfsbereite Herr wieder auf, diesmal mit einer Bahnangestellten mit zwei Sternen auf den Epauletten. Die anderen hier haben noch nicht mal einen! Die Bahnhofsvorsteherin? Jedenfalls eine kompetente Dame und sie hat hier offensichtlich das Sagen! Freundlich zwinkern tut sie dazu und signalisiert uns „das machen wir schon“. Nachdem die Situation erst mnal erlaeutert ist, dank Minilexikon, wird klar, das die Loesung offensichtlich „elektrischer Zug“ ist. Wir werden unter neugierigen Blicken hinter ihr her trottend und unsere Bikes schiebend, von ihr zu einem anderen Bahnhof gefuehrt. Unterwegs spricht sie pausenlos in ihr Walki-Talki und macht die Bahnangestellten auf den entfernten Bahnsteigen lauthals zur Schnecke. Zu uns ist sie allerdings aeusserst charmant. Am neuen Bahnhof angekommen wird die dortige Dame mit zwei Sternen auf der Schulter eingeweiht. Dabei wird durch unserer Retterin auch klargestellt, dass unsere Tickets fuer diesen anderen Zug auch gelten wuerden (wir interpretieren halt immer kraeftig mit, verstehen tun wir zu wenig). Auch fuer die zweite Dame scheint die Herausforderung – die zwei verlorenen Deutschen (wir verstehen nur das Wort „Germani“) an ihr Ziel zu bekommen – eine Abwechslung von ihrem Alltag zu sein.

Am Bahnsteig wird uns muetterlich streng bestimmt uns zu setzen und zu warten. Wir gehorchen und Christoph salutiert. Der Engel von Bahnhofsvorsteherin des ersten Bahnhofs verabschiedet sich und wir sind ihr wirklich dankbar. Die zweite Dame macht uns verstaendlich, dass sie wiederkaeme, wenn der Zug kommt und laesst uns dann allein. Wir sind nun zuversichtlich, dass wir unser Ziel heute noch erreichen, und warten geduldig und entspannt auf unseren Zug, einmal mehr begeistert von den Ukrainern.

Der Zug braucht gute 3 Stunden fuer die Fahrt nach Simferopol und erinnert uns sehr an unseren Bummelzug aus Moldawien.

In Simferopol scheint die Hoelle los. Menschenmassen, die offensichtlich zu der Gattung „Sommertourist“ gehoeren, bevoelkern die Umgebung des Bahnhofs. Es herrscht reges Leben und eine ausgelassene Stimmung.

Mit dem Rad fahren wir in die Stadt und erfragen bei einem gehobenen Hotel, das unser Budget sprengen wuerde, die Adressen anderer guenstigerer Unterkuenfte. Etwas ausserhalb des Zentrums finden wir so unser Traumhotel! Ein bezaubernd abgewetzter sozialistischer Plattenbau mit dem Flair sozialistischer Glanzzeiten. Unser Zimmer ist eigentlich ein kleines Appartment, wo wir auch die Raeder wieder unterbringen koennen, mit einem geraeumigen Bad mit freiliegenden Rohren ueberall und einem 60er Jahre Wohnzimmer. Perfekt! Und das fuer ein drittel des Preises von den Hotels, die im Lonely Planet aufgefuehrt sind. Und sogar mit Fruestueck (hatten wir bisher noch nie!). Die Einfahrt zum Hotelparkplatz wird von einem Wachturm mit riesigem drehbarem Suchscheinwerfer flankiert, der an die Wachtuerme an der Berliner Mauer frueher erinnert. Einfach genau unser Ding!

Zum Abendessen gibt es Pizza im Zentrum der Stadt. Eines der Essen, die wir ohne allzugrosse Schwierigkeiten bestellen koennen (auch wenn dann Pilze am Ende doch Schinken auf der Pizza sind…). Einen Absacker und eine Suessspeise goennen wir uns noch in einer von aussen chillig aussehenden Terassenbar, wo wir aber wieder auf eine ukrainisch flapsige Art bedient werden.

Hier in Simferopol, nahe der Tourismushochburgen am Schwarzen Meer, scheint Minirock oder Minihotpant mit hochhackigen Schuhen auf jeden Fall zum guten Stil zu gehoeren. Wohin man auch schaut, lange nackte Beine und koerperbetonte, aufreizende, ausgefallene Kleidchen. Da wird einem fast schwindelig! Aber wir tragen es mit Fassung! Ausserdem fallen wir mit dem gelegentlichen Klappern unserer Klickpedalschuhe zwischen dem ganzen Geklapper der Pfennigabsaetze (wenn sie so gross waeren!) nicht so auf.

Durch ein Land das es nicht gibt

Sonntag, Juli 1st, 2007

Als wir in Iasi (im Osten von Rumaenien) angekommen sind, hatten wir eigentlich vor, direkt mit dem Zug durch Moldavien bis ans Schwarze Meer zu fahren. Es gab aber keine direkten Zuege, somit mussten wir einen Zug von Iasi nach Chisinau, der Haupstadt von Moldavien buchen. Dies war aber auch keine direkte Zugverbindung sondern wir mussten in einem Wagon ca. 25 min. bis zur Grenze fahren und dort den Zug wechseln.

Die Grenzbeamten waren ganz erstaunt ueber die Touristen, denn diese sind nun wirklich nicht geballt in Moldavien vorhanden. Neues Land, neue Waehrung somit wurde an der Grenze Geld getauscht und ein Zugticket bis zur Hauptstadt gekauft. Diese 100 km Zugfahrt kosteten ca. 1,50 Euro und dauerten ueber vier Stunden. Der Zug sah von aussen top gepflegt aus, von Ihnen hat man ihm aber dann sein Alter doch angesehen. Die Sitzbaenke waren aus orange bemaltem Holz und erinnerten doch sehr an deutsche Parkbaenke. Die Zugfahrt ansich war super, doch des oefteren waere die Durchschnittsgeschwindigkeit mit dem Fahrrad hoeher gewesen und die panischen Sprinte des Schaffners in den hinteren Triebwagen um irgendwelche Hebel zu bewegen haben uns manchmal zum Nachdenken gebracht.
Irgendwie hat uns aber die Zugfahrt so gut gefallen, dass wir uns kurzerhand entschlossen haben (hier die „planlos“ Variante) ein paar Tage in Chisinau zu bleiben und mit dem Fahrrad in die Ukraine zu fahren. Der Aufenthalt in der Hauptstadt von Moldavien war dann sehr schoen, Chisinau ist eine sehr schoene, saubere und geordnete Stadt und einen Besuch auf jeden Fall wert.

Der besondere Reiz der weiteren Fahrt in die Ukraine war auch die Durchquerung von Transnistrien , einem abgespaltenen Teil von Moldavien (mehr Details siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Transnistrien). Diese Land ist international nicht anerkannt, verhaelt sich aber wie ein unabhaengiges Land. Wir haben im Reisefuehrer schon gelesen, dass man sich auf eine etwas eigensinnige Interpretation von Recht vorbereiten soll und haben daher schon Zigaretten und Vodka eingekauft, um kommende Verhandlungen etwas zu erleichtern.

Die Grenze beginnt mit einem Militaerposten, drei Jungs in Tarnanzug, die aber sehr nett waren. Es wurde geraucht und Praesente ausgetauscht (wie die Grenzer uns doch direkt danach gefragt haben). Dann ging es zu der eigentlichen Grenze, wo man ein bischen in die ein oder andere unserer Taschen schaut aber doch nur interessiert ist, wieviel Bargeld dabei ist. Anstatt eines Stempels in den Pass (was dieses Land ja nicht geben darf), gibt es ein Papier, dass bei der Ausreise wieder abgegeben werden muss. Wir haben geplant einen Tag in der Hauptstadt von Transnistrien zu bleiben (Tiraspol) und dann am zweiten Tag in die Ukraine zu fahren. Der Grenzer hat dann unsere Plaene direkt verworfen, indem er uns sagte, dass wir in 10 Stunden wieder aus dem Land heraus sein muessen. Shit – so war das ja nicht geplant, aber dann muessen wir halt Gas geben. Nach der Grenzabfertigung waren wir wirklich froh, da wir uns das alles eigentlich etwas komplizierter vorgestellt hatten.

Schon 15 min. spaeter kam dann das Erwachen: In der ersten Stadt namens Bender, wurden wir von der lokalen Polizei aufgehalten. Wir sollten beide absteigen und die Papiere vorzeigen. Wir wurden in zwei verschiedene Raeume gebracht und uns wurden unabhaengig voneinander unsere „Taten“ vorgehalten.
Kolja war bei einem Grenzbeamten gelandet, der die nicht vorhandenen Zollpapiere anprangerte. Ich war bei dem Verkehrspolizisten, der uns vorwarf, dass wir doch die durchgezogenen Linie ueberfahren haben, als er uns zu sich winkte (ja wir sind auch darueber gefahren). Kolja wurde sogleich der Gesetzestext in Kyrillisch vorgelegt und mir wurde klar gemacht, dass so ein Vergehen mit der Beschlagnahmung des Fahrrades geandet wird.
Lange Diskussionen und die Bezahlung von ca. 20 US Dollar fuer die fehlenden Zollpapiere und 20 US Dollar fuer das Verkehrsbegehen liessen die „netten“ Polizisten aber dann darueber hinweg schauen. Die Nachfrage nach einer Quittung wurde natuerlich mit einem direkten „No“ beantwortet, wir sollten einfach direkt an die Grenze fahren, bis dahin wuerde uns schon keiner mehr aufhalten und Zollpapiere gab es natuerlich auch nicht.
Um diese Erfahrung reicher, sind wir dann quer durch dieses Land gefahren in dem der sozialistische Einfluss (Betonbauten, die dringend renoviert werden sollten), aber auch der Kapitalismus (Merceds Benz Niederlassung) sichtbar ist.

Bei der Ausreise begann nun das gleiche Teather wieder. Als erstes fehlten die Strassenbenutzungstickets, dann der Ausreisstempel von Moldavien und schliesslich wollten alle von uns Kohle sehen. Mit riesigen Dikussionen und stundenlangem Ausharren an der Grenze, wie auch mehreren Gruppen- oder Einzelgespraechen mit verschiedenen Beamten (einmal mit Schirmmuetze, einmal im Tarnanzug) und letzendlich mit der Bezahlung von 10 USD konnten wir dann dieses „Land“ verlassen.
Zusammenfassend waren ca. 50 US Dollar Schmiergeld (incl. den Geschenken der ersten Grenzer) noetig, was ca. einem durchschnittlichen Monatslohn in Transnistrien bedeutet. Der positive Aspekt dieser Sache war ein absoluter Tagesrekord, 120 km auf dem Bike.

Wir waren also absolut happy aber auch ziemlich platt, als wir das Schild mit der Aufschrift Ukraine sahen. Die Grenzbeamten waren auch absolut nett und freundlich. Durch die langen Diskussion in Transnistrien war es nun spaet Abends und schon dunkel und die Grenzbeamten offenbarten uns, dass es das naechste Hotel erst in Odessa, ca. 70 km entfernt von hier geben wird. Ach und wir haetten uns doch nach diesen Anstrengungen mal ein richtiges Bett verdient. 🙂
Naja nun wieder ein neues Land und eine neue Waehrung, die wir am Geldautomat abheben konnten um uns wenigstens noch ein bischen Wasser fuer die Nacht besorgen konnten. Und eine Nacht unter sternenklarem ukrainischem Himmel ist schliesslich auch nicht zu verdenken.