Die erste Etappe der Reise von Passau nach Wien – unsere „Trainingsetappe“ (vom Zelten ueber das Langstreckenradeln vor allem aber bezueglich des Reisen mit dem Rad an sich) – hatte von allem etwas und war somit sehr lehrreich. Zeit genommen haben wir uns auch fuer kurze Touren und Besichtigungen der Innenstaette von Passau und Linz, der Donauschlinge bei Schloegen sowie dem beeindruckenden Stift Melk und dessen schoene Altstadt. Vor allem der letzte Abschnitt durch die Wachau, ein bekanntes Weinanbaugebiet, hat uns sehr gut gefallen. Strahlender Sonnenschein, Weinberge an den Haengen des Donautals, wirklich malerische alte Doerfer mit alten Steinhaeusern mit urigen Wirtschaften in den Hinterhoefen. Versteht sich, das wir von dem Wein auch probiert haben. In Erinnerung wird uns bleiben, wie wir kirschkernspuckend in gemuetlichem Tempo durch die tolle Landschaft geradelt sind so ganz und gar frei von direkten Verpflichtungen fuer die naechsten Tage.
In Wien (bzw. bei Wien in Klosterneuburg, da dort die Unterkunft angenehmer war) haben wir gut zwei Tage verbracht. Die Innenstadt, den Stephansdom, den Prater, viele Parks und Cafes (wir scheinen da in eine Hitzewelle geraten zu sein! Aber zu Hause soll das ja aehnlich sein) sowie den Naschmarkt besucht. Das groesste Erfolgserlebnis war aber unsere erste Aussortieraktion, bei der wir insgesamt um ca. 15 Kilogramm an Gepaeck abgespeckt haben (ach ja, Matthias, Du bekommst bald Post!). Das machte sich fuer uns beide bei den folgenden Strecken durchaus bemerkbar.
Von Wien mit dem Zug nach Budapest war eine erholsame Pause fuer unsere Beine. In Budapest hatten wir nur relativ wenig Zeit, die durch die Beschaffung der Zugtickets fuer den Anschlusszug nach Rumanien, was immerhin gute 1 1/2 Stunden dauerte, noch vermindert wurde. Dank Mobilitaet durch das Rad war uns aber eine kleine Tour durch die Innenstadt von Pest auf die Seite nach Buda und zurueck vergoennt. In einem netten kleinen Cafe sassen wir so entspannt, dass wir den Zug (wie uebrigens schon am Morgen in Wien) gerade mal 5 Minuten vor der Abfahrt erreichten. Der Terminzwang scheint eins der Dinge zu sein, von denen wir uns am leichtesten loesen koennen 🙂 (Wir haben heute uebrigens, nach bereits 4 Tagen in Rumaenien, festgestellt, dass Rumaenien in einer anderen Zeitzone liegt!!)
Ab der rumaenischen Grenze ist kein Weiterkommen mit dem Rad im Zug moeglich. Auch am Folgetag aus dem naechstgroesseren Ort in Rumaenien (Ordea) nicht. Also fuellen wir ganz gelassen unsere Wasserreserven und schwingen uns auf unsere Raeder. Diese Ungebundenheit macht Spass. Fragt sich, in welchem Zeitraum wir so China erreichen…
In Rumaenien fuehlen wir uns von Begin an wohl. Meist werden wir zwar skeptisch beaeugelt (kein Wunder, was sind wir doch fuer Eindringlinge, die voll gepackt daherkommen) aber alle begegnen uns freundlich und sind hilfsbereit. Nur als Verkaeuferin in den vielen kleinen Laeden und als Kellner in den Cafes und Restaurants wird es offensichtlich erwartet, dass man zunaechst ein recht grimmiges Gesicht aufsetzt.
Die letzten drei Tage mit dem Rad durch den Nordwesten Rumaeniens waren eine Strecke, die wir sicher im Gedaechtnis behalten werden.
Kurze Strecken sind wir entlang der „Europastrasse“ (Schnellstrasse) gefahren, was wir beide aber nicht als schlimm empfunden haben. Die Rumaenen, vor allem die Lastwagenfahrer fahren unseres Erachtens sehr ruecksichtsvoll. Die wahrhaft schoenen Strecken waren natuerlich auf den kleineren Strassen, auf denen man kaum Verkehr hat. Auf einer Radfahrerkarte fuer Rumaenien, die wir von netten Radlern auf ihrem Rueckweg in Wien geschenkt bekommen haben, steht: „Ueber schlechte Radwege wird man sich in Rumaenien nicht beschweren, es gibt schlichtweg keine.“ Was auch stimmt, allerdings hat man ja so gut wie alle kleineren Strassen ohne viel Verkehr fuer sich.
Die Landschaft und Ortschaften nehmen wir bei unserer gemaessigten Reisegeschwindigkeit interessiert auf und halten hier und da fuer eine genaue Betrachtung, mal ein Foto, zum Erfragen der Richtung und oft um unsere Wasserreserven aufzufuellen, was bei den aktuellen Temperaturen von ueber 30 Grad Celsius mehrmals taeglich noetig ist, wenn man nicht Unmengen an Gewicht mit sich schleppen will (davon abgesehen schmeckt mehr als 30 Grad warmes Wasser einfach auch nicht so gut!).
Um die Mittagszeit legen wir meist eine bis zu 2 stuendige Pause ein, in der wir kochen, essen, Kaffee trinken (ja, auch ich trinke hier Kaffee!) schlafen (die Naechte im Zelt sind bei steigenden Temperaturen ab ca. 6:00 Uhr auch eher kurz) und unser Tagebuch pflegen.
Am ersten Tag unserer Reise durch Rumaenien, wir zelten neben einem Grundstueck, bei dem wir vorher um Erlaubnis gefragt haben, verbringen wir den Abend bis spaet in die Nacht mit Fane dem 35 jaehrigen Kopf der Familie und Automechaniker in einem Nachbardorf und werden in die rumaenische Sprache sowie ein paar Lagerfeuertraditionen eingefuehrt. Die riesen Fettschwarten, die Fane’s Frau zum selbsgebrannten Pflaumenschnaps und Kaffee brachte, sahen wir schon besorgt roh in unserem Magen verschwinden (da war von Feuer noch keine Rede). Diese wurden dann allerdings ueber dem schnell entfachten Feuer an frisch geschnitzten Spiessen gewendet und der daraustropfende Saft auf Brotscheiben gesammelt, die mit Fruehlingszwiebeln belegt waren. Lecker! Und auch der Selbsgebrannte (Fane’s ganzer Stolz verstaendlicherweise) war sehr sanft und wohlschmeckend. Dennoch gut, dass es nur einen halben Liter gab!
Bei ca. 65 km durchschnittlicher Tagesetappe hatten wir auf unserem zweiten Tag ein paar wirkliche Highlights. Entlang der Europastrasse, einen Anstieg ueber mehrere Kilometer zu unserem ersten Pass auf 581 Meter hinauf, lassen wir uns von einem langsam fahrendenTanklastwagen einen guten Teil der Strecke bergaufziehen. Ganz energielos geht das aber auch nicht von statten, das Rad wird ja auch nicht leichter (uebrigens jetzt gewogen und je nach Lebensmittel-/Wasservorrat zwischen 50 und 55 kg mit Gepaeck). Bevor uns also die Arme abgefallen sind haben wir die Last zwischen Armen und Beinen verteilt und mitgetreten. Dennoch eine ware Entlastung!
Auf einem – weit ab von Schnellstrassen – spaeteren Teil der Strecke, bekommen die Bikes das, wofuer sie gebaut wurden. Kein Zeichen mehr von menschlichem Einfluss, Natur pur rundherum und eine entsprechend schlechter (oder toller, je nach Blickwinkel) Weg (durch ca. 25 Zentimer tiefes Wasser laesst sich noch fahren, auch wenn die vorderen Taschen eine Bugwelle vor sich herschieben!). Dieser unmoeglich von Autos befahrene Weg, der aber noch auf unser Gesamtrumaenienkarte durchaus verzeichnet ist (jetzt wissen wir auch einzuschaetzen, wie die kleinen weissen Striche auf der Karte zu beurteilen sind) fuehrte uns unerwartet auf einen Grat und resultierte in einer ganz unglaublichen Aussicht bei strahlendstem Wetter und einer entlohnenden unanstrengenden Abfahrt.
Hier, in diesen komplett entlegenen Winkeln, beeindrucken uns die Orte sehr. Alte Haeuser mit reichverzierten weinumrankten Holzgiebeln und kunstvoll geschnitzte Zaunpfaehle und Gartentore, die den Besitz der einzelnen Familien eingrenzen, gibt es rechts und links zu bestaunen. Verrostende alte Zeugen von Zeiten der grossflaechigen Feldbestellung und verschiedenste Sorten alter Brunnen aus noch viel frueheren Zeiten erwecken die Aufmerksamkeit. Auf der einzigen Schotterstrasse durch das Dorf laufen Huehner und Gaense frei herum. Man kommt aus dem Schauen nicht heraus. Ein Ueberfluss an Eindruecken. Was uns auffaellt, ist dass die Kirchen allesamt in einem hervorragenden Zustand sind, offensichtlich alle kuerzlich in Stand gesetzt.
Am Abend dieses Tages entlohnt (oder bestraft, wieder eine Frage der Perspektive) uns ein wundervoll erfrischendes Duschbad im kalten Bach neben unserem wilden Zeltplatz (Tag 10).
Momentan sind wir in Cluj Napoca (Klausenburg) im Herzen Transilvaniens. Cluj (wie es von allen nur genannt wird) ist eine sehr lebendige Stadt mit 60.000 Studenten. Die Strassen sind ueberfuellt mit Leuten im trendigsten Look und die Stadt hat viel zu bieten (Kultur, Bars, Shops).
Unsere naechste Etappe wird uns wohl ueber die mittelalterliche Stadt Sighisoara in und ueber die Karpaten nach Moldavien (Region Rumaeniens, nicht zu verwechseln mit dem Land Moldawien, das noch ein Stueckchen weiter im Osten liegt) fuehren.