Die Bilder zu diesem Bericht findest du unter der Bildergallery Ueber den Tian Shan Teil 1.
Nachdem wir nun ein paar Tage in Karakol unsere Reserven aufgefuellt hatten, ging es am Montag den 17.09. weiter Richtung Issykkul See. Am Tag davor verabschiedeten wir uns noch von Peter aus Australien, dem dritten Mann in unserem Fahrradteam der letzten Tage.
Bevor wir aber den See erreichten, machten wir einen Abstecher ins Landesinnere um die besonderen Felsformationen (Broken Hearts und Seven Bulls) zu bewundern. Naja, mit viel Phantasie konnte man dann auch den Felsen als gebrochenes Herz erkennen. Am Ende dieses Weges war dann noch eines der letzten Sanatorien von Kirgistan, ein Ueberbleibsel der Sovietzeit.
Die Nacht verbrachten wir dann in einem Gostiniza (Unterkunft) in Darkan Saruu. Das Zimmer gehoerte zu einer kleinen Kneipe und war in einem Hinterhof gelegen, Dusche oder Waschbecken gab es nicht und vor der Toilette hat uns sogar die kirgisische Frau gewarnt – die Toilette hat dann auch alles bisherige uebertroffen.
Am naechsten Tag sahen wir dann zum ersten Mal den Issykkul See. Der groesste See Kirgistans liegt auf ca. 1600 m.NN direkt im Tian Shan Gebierge. Mit seinen 6200 Quadratkilometer ist er ca. 12 mal so gross wie der Bodensee und erreicht eine Tiefe von bis zu 700 Metern. Trotz der Hoehe war das Wasser noch angenehm warm und wir konnte unser abendliches Bad nahe Tamgar darin nehmen. Die Gastfreundlichkeit, die uns waehrend den Fahrten von Karakol bis Tamgar entgegen gebracht wurde ist bis dato einmalig. Kinder am Strassenrand rufen uns ‚Hallo‘ oder ‚Hi‘ zu und winken oder kommen an die Strasse gerannt. Ein Junge reagiert schnell und streckt seine Hand aus um mir einen Apfel zu geben. Viele andere Leute jeden Alters hupen uns, winken uns zu oder winken uns zu sich herein. Im letzten Gostiniza werden wir vor der Abreise noch mit Aepfeln und Birnen beschenkt.
Unser Zeltplatz war diesmal direkt am Strand mit Blick auf den See. Am Strand gesellte sich dann ein junger Hund zu uns, der die Nacht ueber unser Zelt bewachte. Am naechsten Morgen machten wir uns weiter auf den Weg nach Naryn, aber der Hund wollte nicht von unserer Seite weichen. Kurz bevor wir unsere bisher hoechste Bergetappe ueber den 3893 m. NN hohen Pass nach Suden von Kirgistan angingen checkten wir noch unsere Essensvorraete, damit wir diese mehrtaegige Tour ohne Einkaufsmoeglichkeiten auch mit unserem neuen Zuwachs hungerfrei durchstehen koennen. Von nun an reisten wir zu dritt, unser Hund tauften wir Schnukkel (Schuckel und Schnuggel sind bereits vergeben) und er war ein toller, tapferer Weggefaehrte.
Die Anfahrt ueber die nicht-oeffentliche Strasse (die auch nicht genau auf den Karten beschrieben ist) war erstaunlich einfach, da der Zustand des Kiesweges sehr gut war. An der einzigen wichtigen und trickreichen Spaltung der Strasse war gluecklicherweise ein Reiter, der uns die richtige Richtung zeigte. Am Nachmittag des zweiten Tages erreichten wir dann den Pass, der von mehreren Gletschern umrundet war und wurden mit einem wundervollen Blick in das weitere Hochtal belohnt. Das Klima aenderte sich dann auch auf der anderen Seite des Berges waehrend es auf der Nordseite warm und fast windstill war, war es dann auf der Suedseite merklich kuehler und windiger. Bevor wir unser Zeltplatz aufschlugen fuhren wir noch an einer Herde Yaks vorbei.
Die Kulisse bei der Fahrt am naechsten Tag war atemberaubend schoen. Das Hochtal in dem wir langsam herunterfuhren wurde von Huegeln gesaeumt, die Anfangs noch felsig und teilweise schneebedeckt waren. Mit den Stunden aenderte sich auch dieser Anblick und das ganze Tal wurde immer gruener. Wir sahen vereinzelt Jurten, wobei die Grosszahl der Hirten um diese Jahreszeit ihr Sommercamp schon verlassen haben. Bei einem warmen Tee am Nachmittag sahen wir einen Hirten, der mit Pferd und Hund ein einzelnes Schaaf einfing und knebelte. Als wir weiter fuhren, sah der junge Hirte uns und kam zu uns geritten. Er lud uns auf ein Tee in die Jurte seiner Familie ein und wir nahmen die Einladung gerne an. Als erstes mussten wir aber gemeisam an die Stelle fahren, an dem er das Schaaf geknebelt hatte und Kolja und ich mussten Ihm das Schaaf auf’s Pferd reichen. Nunja, wir sind beide Informatiker und koennen Computernetze bauen, aber wie zum Teufel hebt man ein (grosses und dickes) Schaaf das auf dem Boden liegt auf ein Pferd? Wir haben uns nicht anmerken lassen, dass ein Mitteleuropaeer soetwas normalerweise nicht taeglich macht und hoben das Schaaf an seinen Beinen hoch und uebergaben es Sammat dem Hirten. Dann fuhren wir gemeinsam zur Jurte. Die Jurte war ca. 7 Meter im Durchmesser und in der Mitte stand der Tisch um den wir zwei, Sammat, sein Vater und die drei Geschwister sich gesellten. Wie im ordentlichen Deutschland zieht man sich die Schuhe beim Eintreten in die Jurte aus, man sitzt anders als in Deutschland naemlich auf dem Boden. Die Mutter stand am feuerbeheizten Herd und praeparierte den Tee. An den Waenden der Jurte haengte Schaafsfleisch zum trocknen und das Fell eines Fuchses, das mir Sammat sofort verkaufen wollte. Zum Tee gab es das typische kirgisische Fladenbrot und dazu gab in kleinen Schaelchen serviert frische Marmelade oder eine Art Rahm, in den man das Brot ‚dippt‘. Die Keimzahl des Rahms wird gott sei dank nie bestimmt. Nachdem wir unsere Teeschalen immer ordentlich geleert hatten bekamen wir noch ein typisches Getraenk serviert: vergorene Kuhmilch. Wir hatten das gleiche in Kasachstan schon von Stuten, aber egal von welchem Tier, es schmeckt wie vergorene Milch mit Kohlesaeure versetzt – kurz gesagt scheusslich. Die Unterhaltung war auf die wenigen Worte die wir in russisch verstehen beschraenkt, aber auf die Kommunikationsform mit Haenden und Fuessen ist wie schon beschrieben verlass. Vor Sonnenuntergang machten wir dann unser Camp klar und in dieser Nacht vielen die Temperaturen dann in den zweistelligen Minusbereich. Wir mussten feststellen, dass unser Campingequipment nicht fuer diesen Temperaturbereich geeignet ist. Tagsueber ist es hier in der Sonne sommerlich warm, wenn Wind aufkommt dann wird es unangenehm kuehl.
So ein Morgen, bei dem das Thermometer noch – 9 Grad Celsius anzeigt beginnt dann recht starr. Selbst frisch gekochter Tee wird in den Edelstahltassen in wenigen Minuten kalt und erst wenn die Sonne ueber den Huegeln erscheint kommt Bewegung in die menschlischen Glieder. Bei der weiteren Fahrt verengte sich dann das Hochtal und wurde zunehmend zu einer engen Schlucht. Der Weg war nun nicht mehr leicht abfallend, sondern bergauf – bergab Passagen, die doch um einiges mehr Energie kosten.
Gerade rechtzeitig kam dann der erste Ort, an dem wir mal wieder einkaufen konnte. Als wir vor einer Schule kurz halt machen, kam die Schulklasse auf die Strasse gerannt um sich mit uns zu unterhalten. Bikecomputer und solche Hightech Bikes ziehen natuerlich Kinderhaende magisch an. Die Lehrerin nutzt diese Pause ebenfalls und macht sich auf und davon. Die Kinder zeigten uns den Weg zum Magazin und wir kaufen ein paar Dinge fuer die weitere Fahrt ein. Das Magazin (Geschaeft) ist, wie es in kleinen Orten ueblich ist, nicht angeschrieben, da eh jeder weis wo es ist. Auch die Groesse und die Auswahl ist hier auf dem Land etwas beschrankt und so ist der Verkaufsraum hier ca. 3 Quadratmeter gross. Der „Filialleiter“ laedt uns nach dem Einkauf kurzerhand zu sich ein und richtet uns ein super Mittagessen. Es gibt eine grosse Schuessel Kevir, dazu serviert er uns eine kalte gekochte Zunge, die er aus einem Regal holt und in Scheiben schneidet. Eine Zwiebel wird dann kurzerhand auf dem Kuechentisch geschnitten und mit anderen Stuecken Fleisch (wir konnte nicht herausfinden welches Teil, es war sehr fettig und hatte eine komische Haut) serviert. Zum Nachtisch gab es dann eine Art Topfkuchen, was aus getrockneter und gesuesster Butter hergestellt wird (es ist hart, broeckelig und suess) und in einer grossen Schuessel (mit ein paar Haaren) gebracht wurde. Ganz zum Schluss bekamen wir auch hier das beliebte Getraenk: vergorene Kuhmilch. Wir schluerften mit Abscheu die Schale herunter und lehnten Nachschub dankend aber unmissverstaendlich ab. So gestaerkt ging es in der Schlucht immer an Fluss entlang Richtung Naryn. Gegen 18oo h entschlossen wir uns eine kleine Pause einzulegen und evtl. auf eine Mitfahrgelegenheit zur 45 km entfernten Stadt zu spekulieren. Nach ca. 20 Minuten kam ein alter kleiner Wagen mit Dachgepaecktraeger vorbei – unsere Chance. Kolja stoppte den Wagen, obwohl schon vier Personen und zwei Kinder darin waren. Der Fahrer sah in der Anzahl der Personen und dem Gepaeck auf kein Problem und so verluden wir die Bikes und die Taschen auf und in das Auto und quetschten uns dann alle gemeinsam auf den Ruecksitz. Im Wagen war eine Familie, die aus Opa (dem Fahrer), dem Schwager (dem Beifahrer), der Oma und der Tochter mit ihren zwei Kindern bestand. Schwager und Oma waren total voll und beim Fahrer wollten wir es gar nicht genau wissen. Nach ca. 30 Minuten Fahrt bei der uns Oma die ganze Zeit auf russisch zutextete wurde es ruhig, da sich anscheinend der Vodka in Omas Bauch und die Fahrtbewegungen nicht so ganz vertrugen. Der erste Schwall ging auf die Fussmatte bevor Opa anhielt und mit Oma an den Fluss ging. Nachdem das groebste erledigt war, ging die Fahrt weiter – Oma wurde langsam muede und schlief ein waehrend Opa den Wagen gekonnt um die ganzen Schlagloecher manoevrierte. Der Schwager zeigte sich von der gastfreundlichsten Seite und uns wurde Reis mit Huehnchen serviert – herrlich. Nach ca. einer Stunde hatten wir dann unsere Etappenziel Naryn erreicht. Nun werden wir die naechste Route nach China planen!