Auf nach China

Bevor es uns vergoennt ist nach China aufbrechen zu koenen, haben wir erst einmal eine Menge Zeit totzuschlagen. An die 10 Tage insgesamt! Das kam folgendermassen: Von Naryn aus benoetigen wir gut 5 Tage bis zum Torugart-Pass, dem Grenzpass nach China. Am Samstag den 29. September waeren wir wohl dort angekommen. Am Wochenende hat der Grenzposten jedoch geschlossen. Das Passieren der Grenze auf einen Freitag wird nicht empfohlen, da man sonst – sollte die Grenze wegen Schnee, Lawinen, Feiertagen auf einer der beiden Laenderseiten oder anderen Gruenden geschlossen sein – bis zum kommenden Montag ausharren muss. Am Montag den 1. Oktober ist der chinesische Nationalfeiertag. Da ist die gesamte Grenze natuerlich zu. Manchmal auch noch die zehn folgenden Tage. Dieses Jahr jedoch nur die folgende Woche. Insgesamt koennn wir also an 10 Tagen nicht ueber den Torugart. Dass unser timing so genial ist kann man 4 Monate frueher in Deutschland natuerlich nichtmal ansatzweise ahnen! Zudem hatten wir uns ja eher ein bis zwei Monate frueher hier gewaehnt, haette man uns vor fuenf Monaten dazu befragt.
Ein gutes hat der Aufschub unserer Weiterreise: Wir koennen nun doch noch einen kurzen Abstecher nach Bischkek, der Hauptsadt Kirgisistans, machen. Da wir ja Zeit haben und es zwischen Naryn und Bischkek auch noch anderes besuchenswertes gibt, lassen wir uns noch auf eine zweitaegige Tour zu Pferd ein. Mit der Ueberzeugung, durch unser Radfahren ein trainiertes Hinterteil zu haben, schwingen wir uns am ersten Morgen auf’s Pferd. Nach 8 Stunden im Sattel (Holzsattel mit Decke darueber), waren wir am Ende des Tages jedoch eines besseren belehrt (ohne hier auf anatomische Einzelheiten einzugehen). Sattel ist jedenfalls nicht gleich Sattel!
Da die sonst bereitgehaltenen Touristenjurten bereits tags zuvor abgebaut wurden, ist es uns vergoennt mit der ganzen Gastfamilie gemeinsam das Jurtenleben zu teilen. Direkt im Anschluss an die Abenddaemmerung geht der Vollmond in der klaren kalten Nacht ueber den nahegelegenen Bergen auf, was fuer eine Stimmung! Spaet am Abend kommen noch ein paar Durchreisende, die sich etwas aufwaermen wollen (wir sind etwa auf 3000m Hoehe und nachts wird es wieder empfindlich kuehl) und so wird bis spaet in die Nacht Essen und Tee gereicht.
Unsere Reittour fuehrt uns am zweiten Tag an den Sang Koel See. Zum beheizen unserer Jurte bei Nacht mit dem kleinen Ofen sammeln wir hier des nachmittags soviel getrocknete Kuhscheisse, wie wir herbeischaffen koennen! So heiss wie diese Nacht hatten wir es in einer Jurte bisher auch noch nie!
In Bishkek verlaengern wir unser Visum fuer Kirgisistan. Hierfuer stellen wir uns insgesamt vier Mal im „Department for Passport and Visa Control“ an, wenn wir jeden Gang zum Fotokopieren von Dokumenten etc. mitzaehlen, sind es aber auch noch ein paar mal mehr. Am Freitag vertroestet man uns auf Montag, zum Glueck haben wir die Zeit. Am Montag koennen wir bei unserem letzten Besuch in der hintersten Amtsstube unsere Paesse mit verlaengerten Visa in Empfang nehmen. In der Stube „arbeiten“ vier Agestellte an drei Schreibtischen. Der vierte Arbeitsplatz ist die Tastatur eines Computers auf einem PC-Gehaeuse, das auf dem Boden steht, mit dem Monitor auf einer Schreibtischecke einer Kollegin. Am beeindruckendsten jedoch ist die Arbeitsweise und das allgemein herrschende Chaos. Zu den vier Beamtendamen sind jederzeit mindestens an die 8 weitere Personen wie wir am Warten und Rumwuseln in dem gut 16 Quadratmeter grossen Raum. Leute die Paesse abholen wollen, suchen diese zusamen mit einer der Damen in einem von zwei Plastikwaschzubern, in denen diese zwischengelagert werden. Dabei werden jedesmal wahllos zig Paesse in die Hand genommen und durchgeschaut bis der richtige gefunden ist. Eine Sortierung gibt es nicht. Uns fasziniert es total, wie dieser Vorgang fuer jeden Kunden locker 10 Minuten in Anspruch nimmt und das fuer jeden hier das normalste der Welt zu sein scheint. In unseren mitteleuropaeischen Koepfen erdenken wir uns natuerlich gleich verschiedenste Methoden, wie das ganze effzienter von statten gehen wuerde.
Unsere Paesse liegen bei unserem letzten Besuch auf einem Schreibtisch bei einer Beamten, die irgendetwas in ein grosses Buch eintraegt. Von dort wandern sie unter unseren Blicken in einem Stapel von Paessen zum Schreibtisch mit der einzigen Dame in Uniform. Ist der Stapel an Paessen vor ihr gross genug, um sie zu einer Reaktion zu bewegen, oeffnet sie den kleine Safe hinter sich in der Ecke, entnimmt ihm eine abgenutzte Pappschachtel mit einem Stempel darin und drueckt diesen in ruhiger Gleichmaessigkeit je einmal in insgesamt ca. 20 Paesse vor sich. Der Stapel Paesse kommt dann zum dritten Schreibtisch und wird dort zum Fuellen der Luecken in den Aufbewahrungs-Plastikwannen verwendet. Bevor unsere Paesse in einer der beiden Wannen verschwindet ergattern wir diese. Hat man seinen Pass nun in den Haenden, unterscreibt man den Empfang in dem grossen Buch, das fuer diesen Zweck vom ersten zum dritten Schreibtisch geschafft wird. Dass, je nachdem wo sich gerade dieses Buch befindet, einer der Arbeitsplaetze seiner Arbeitsgrundlage entzogen ist, mag man bereits erahnen!
Auf unserem Weg zurueck nach Naryn, auf durchgesessenen Ladaruecksitzen, durchfahren wir ein weiteres Mal grandiose Landschaften. Fuer unsere weitere Fahrt mit dem Rad durch das kirgisische Hochland decken wir uns auf dem Markt noch mit zwei grossen mit Schafsfliess gefuetterten Decken und anstaendigen Winterjacken ein. Noch einmal frieren des nachts wollen wir nicht mehr. Voellig ueberladen mit Essen fuer 6 Tage (wir koenne und wollen immer noch nicht darauf verzichten uns unterwegs anstaendig zu bekochen) und unseren voluminoesen neuen Decken und Jacken, machen wir uns, mit den noetigen Dokumenten fuer die Fahrt ins Grenzgebiet in den Taschen, erneut auf den Weg. Wollen wir hoffen, dass uns das Wetter noch einmal verwoehnt. Bei drei Fahrtagen ueber 3000m Hoehe wird dies Anfang Oktober der limitierende Faktor werden. Seit unserem Start vor vier Monaten, hatten wir bisher bis auf zwei kurze Schauer (wovon einen an unserem dritten Tag in Oesterreich) nicht einen einzigen Regentag!

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